Jung und Jüdisch in der DDR

Ein Gespräch mit Zeitzeuginnen


Dienstag, 11. Oktober 2022, 19 Uhr

Anne Frank Zentrum
Rosenthaler Str. 39
10178 Berlin

Eintritt frei, Für die kostenlose Teilnahme melden Sie sich bitte bis zum 10.10.2022 über folgenden Link an:
Zur Anmeldung


Im Anschluss besteht die Möglichkeit, bei Wein oder Wasser miteinander ins Gespräch zu kommen.

mit Sandra Anusiewicz-Baer, Juliette Brungs, Lara Dämmig und Annette Leo
Moderation: Nora Pester

Wie fühlten sich junge Jüdinnen und Juden in der DDR? Welche Bedeutung hatten die Familie und die kleine jüdische Gemeinschaft für ihr Leben? Wie prägten die Familiengeschichte, die Erfahrungen der Eltern und Großeltern in der NS-Zeit ihre Identität? Wie empfanden sie die offizielle Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und dem Holocaust? Wie erlebten sie das Ende der DDR?

Ausgangspunkt ist das Kinderferienlager des Verbands der jüdischen Gemeinden in der DDR, das ab 1961 jedes Jahr an der Ostsee stattfand. Paradigmatisch steht es für einen geschützten, aber auch vor der Mehrheitsgesellschaft verborgenen jüdischen Ort.

Sandra Anusiewicz-Baer und Lara Dämmig haben Interviews mit ostdeutschen Jüdinnen und Juden geführt, die in den jüdischen Gemeinden in der DDR aufwuchsen, sammelten Fotografien, Erinnerungsstücke, Briefe, Postkarten und Tagebuchaufzeichnungen. In ihrem Buch „Jung und Jüdisch in der DDR“, das 2021 bei Hentrich & Hentrich erschien, machen sie mit einem bisher wenig bekannten Kapitel deutsch-jüdischer Geschichte bekannt. Juliette Brungs und Annette Leo haben mit einem Interview und einem Artikel über die Gruppe „Wir für uns“ zu diesem Band beigetragen.

Dr. Sandra Anusiewicz-Baer studierte Erziehungswissenschaften, Judaistik und Islamwissenschaften in Berlin und Haifa sowie Kulturmanagement in Hamburg. Seit 2013 leitet sie das Zacharias Frankel College, eine Ausbildungsstätte für konservative/Masorti Rabbinerinnen und Rabbiner an der Universität Potsdam. Ihre Dissertation mit dem Titel „Die jüdische Oberschule in Berlin. Identität und Jüdische Schulbildung seit 1993“ erschien 2017. Sie ist in der Dresdner jüdischen Gemeinde aufgewachsen.

Dr. Juliette Brungs studierte Germanistik, Mittelalterliche Geschichte und Kunstgeschichte an der Humboldt Universität und promovierte in German-Jewish Studies in den USA zum Thema „Politische Performance-Kunst jüdischer Künstler:innen in Deutschland“; lebt in Berlin, arbeitet als freie Autorin, Mediatorin, Beraterin und politische Bildnerin, war in der Kinder- und Jugendgruppe der Ostberliner Jüdischen Gemeinde aktiv.

Lara Dämmig studierte Bibliothekswissenschaft und Management von Kultur- und Non-Profit-Organisationen und arbeitet für mehrere jüdische Organisationen in Berlin. 1998 war sie Mitbegründerin von Bet Debora, einem europäischen Netzwerk jüdischer Frauen. Bei Hentrich & Hentrich sind zudem von ihr erschienen: „Jüdisches im Grünen“ (gemeinsam mit Judith Kessler), und „Jüdisches in Pankow“. Sie war Mitglied der Ostberliner jüdischen Gemeinde.

Dr. Annette Leo, geboren in Düsseldorf. Studium der Geschichte und Romanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Tätigkeit als Historikerin und Publizistin. Beschäftigt sich vor allem mit Geschichtsbildern, Geschichtsbewusstsein, mit biografischen Forschungen und Oral History. Zuletzt ist von ihr erschienen: Das Kind auf der Liste. Die Geschichte von Willy Blum und seiner Familie, Berlin 2017. Sie gehörte der Gruppe „Wir für uns“ an, die sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre regelmäßig in der Ostberliner jüdischen Gemeinde traf.

Dr. Nora Pester ist die Verlegerin des auf jüdische Kultur und Zeitgeschichte spezialisierten Hentrich & Hentrich Verlags in Leipzig.

In Kooperation mit dem Anne Frank Zentrum e. V. und dem Netzwerk jüdisches Leben e. V.

Veröffentlicht unter Berlin

Feminismus und die extreme Rechte

Abendforum

Antifeminismus und die extreme Rechte

Zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU

Frauen reden zu Tisch

4. November 2021

19:00 bis 20:30 Uhr

Online

Am 4. November jährt sich die Selbstenttarnung der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ zum zehnten Mal. Während im NSU-Prozess mit Beate Zschäpe eine Frau auf der Anklagebank saß, sind Frauen vielfach rechten Aggressionen und antifeministischer Agitation ausgesetzt. Wir nehmen diesen Jahrestag zum Anlass, um über Frauen als Akteurinnen und Angriffsziel der extremen Rechten zu diskutieren: Welche Bedeutung kommt Frauen in rechten Netzwerken zu? Welche Rollen werden ihnen in rechten Ideologien zugeschrieben? Wie äußern sich antifeministische Positionen in der Rechten – und wie anschlussfähig sind sie an andere gesellschaftliche Gruppen? Weshalb sind Frauen, die als muslimisch, jüdisch, nicht-deutsch oder queer wahrgenommen werden, vom rechten Antifeminismus in besonderer Weise betroffen? Wie stellen sich Frauen Drohungen von rechts entgegen?

Darüber diskutieren wir mit

Lamya Kaddor, Publizistin, Lehrerin, Mitbegründerin des Liberal-Islamischen Bundes, kandidiert aktuell für den Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen

Prof. Dr. Heike Radvan, Professorin für Methoden und Theorien Sozialer Arbeit an der Brandenburgisch-Technischen Universität in Cottbus, zuvor Aufbau und Leitung der „Fachstelle Gender und Rechtsextremismus“ der Amadeu Antonio Stiftung 

Wie üblich in der Reihe „Frauen reden zu Tisch“ wollen wir dabei gemeinsam essen, trinken, netzwerken – dieses Mal wieder in digitaler Form. Wie das funktioniert? Einfach anmelden, online gehen, etwas zu Essen und Trinken bereitstellen und dabei sein!

Diese Veranstaltung richtet sich ausschließlich an Frauen.

Die Reihe „Frauen reden zu Tisch“ wird organisiert von der Evangelischen Akademie zu Berlin und dem Amt für Kirchliche Diensteder Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in Kooperation mit dem Aktionsbündnis muslimischer Frauen,dem jüdisch-feministischen Netzwerk Bet Debora und dem Deutschen Muslimischen Zentrum.

Das detaillierte Programm finden Sie unter:
www.eaberlin.de/seminars/data/2021/pol/frauen-reden-zu-tisch

Dort finden Sie auch die Möglichkeit sich anzumelden.

Gefilte Fisch mal 12 – ein Symbol des kulturellen jüdischen Gedächtnisses!

Hervorgehoben

Ein Projekt von Cymes un Delishkes e. V.
in Zusammenarbeit mit Bet Debora

Meine Großmutter hat es früher anders gekocht! Wer von uns hat diesen Satz noch nicht gehört? Seit Jahrzehnten haben wir immer wieder Begegnungen, die uns aufmerksam machen auf traditionelle jüdische Gerichte nach neuem, überraschendem Rezept.

Dieser Satz war unser Ansporn, uns der Vielfalt bei der Zubereitung eines der traditionellsten und bekanntesten jüdischen Gerichte zu widmen, dem Gefilten Fisch.

Unser Projekt will beschreiben, wie der Alltag zum Feld des kulturellen Austausches wird und wie sich die unterschiedlichen Traditionen beeinflussen. In unserem Fall ist eine solche alltägliche Sphäre die Küche – denn sie ist nicht nur der Ort der Zubereitung und der Nahrungsaufnahme, sondern auch der Ort der Kommunikation, ein Treffpunkt für verschiedene Traditionen und Kulturen. Jede Küche hat ihre eigene Sprache, jede Küche formt die Biografie, sie ist nicht nur identitätsstiftend, sie stellt kulturelles Gedächtnis dar. Anhand von 12 Rezepten und 12 Biografien in Deutschland möchten wir darstellen, wie Gefilte Fisch soziale Zugehörigkeit und Gemeinschaftlichkeit schafft – über Grenzen hinweg.

Mit diesem Projekt wollen wir biografische Begegnungen dokumentieren und filmisch festhalten. Im Rahmen unseres Projekts suchen wir Menschen, die ihr Wissen, ihre kulinarischen Familientraditionen oder einfach ein Rezept für Gefilte Fisch an uns weitergeben möchten. 

Wenn Sie uns kontaktieren wollen, würden wir uns sehr freuen Sie kennenzulernen!

cymesundelishkes@magenta.de

Wir bedanken uns herzlich bei Projekt 2021JLID für die freundliche Unterstützung unseres Projekts.

Weitere Informationen unter: https://www.aviva-berlin.de/aviva/index.php 

Freundin oder Freund werden!

Unterstützen Sie Bet Debora, damit in Europa

die Erneuerung jüdischen Lebens von Frauen und von Männern gleichermaßen gestaltet wird

das kulturelle und religiöse Erbe jüdischer Frauen, die vor der Schoa wirkten, nicht in Vergessenheit gerät

jüdische Frauen und Männer nicht im Trauma der Schoa gefangen bleiben, sondern ein zukunftzugewandtes Judentum entwickeln, das vielfältig, pluralistisch und kreativ ist

Jüdische Frauen ein Forum erhalten, um ihre eigenen Themen, Schwerpunkte und Bedürfnisse ausdrücken und weiterentwickeln zu können

Frauen und Männer lernen, welche neuen Wege sich  zu einem egalitären Judentum – im Spannungsfeld von Tradition, Religion und Politik – eröffnen

feministisch-jüdische Standpunkte Eingang finden in gesamtgesellschaftliche Debatten

Am einfachsten können Sie uns regelmäßig unterstützen, indem Sie ein Sepa Lastschriftmandat einrichten. Wenn Sie den folgenden Abschnitt abtrennen und ausgefüllt an die unten angeführte Adresse schicken, richten wir das Sepa-Lastschriftmandat auch gerne für Sie ein: 

Bet Debora e. V.

Postfach 58 06 05

10415 Berlin

Deutschland

Ich fördere Bet Debora mit jährlich (bitte ankreuzen)

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□ 50 € □ 25 €

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□  monatlich □ vierteljährlich □ halbjährlich □ jährlich

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BIC BFSWDE33BER, IBAN DE84 1002 0500 0003 2787 00

□ Lastschrift (bitte Sepa-Lastschriftmandat ausfüllen)

Sepa Lastschriftmandat

Hiermit ermächtige ich Bet Debora e. V. (Gläubiger-ID DE19ZZZ00000564264) mittels Lastschrift von meinem Konto folgenden Betrag ______________________________________

□  monatlich □ vierteljährlich □ halbjährlich □ jährlich einzuziehen. *

Kontoinhaber/in___________

Adresse __________________

IBAN____________________

BIC______________________ 

*Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrags verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen

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Alice Shalvi

Alice Shalvi: Akademikerin, Feministin, Erzieherin und Friedensaktivistin

Alice Shalvi blickt nicht nur auf eine bemerkenswerte Karriere als Universitätsprofessorin zurück, sondern auch als Erzieherin und Aktivistin. Anhand ihrer Biographie lässt sich auch die Entwicklung des feministischen Aktivismus in Israel verfolgen.

 

Alice Shalvi kam 1926 in Essen, Deutschland, als Tochter einer orthodoxen galizischen Familie zur Welt. Im Mai 1934 musste die Familie nach Großbritannien flüchten. 1944 begann Alice Shalvi als eine der wenigen Frauen ein Studium in Cambridge – eine bemerkenswerte Leistung für eine jüdische Studentin. Nach Abschluss ihres BA in englischer Literatur absolvierte sie ein Masterstudium an der London School of Economics. Als begeisterte Zionistin wollte sie ihre Fähigkeiten als Sozialarbeiterin anwenden, um Holocaustüberlebende in die Gesellschaft des jüdischen Staates zu integrieren. Doch als sie Ende 1949 nach Israel kam, bestand kein Bedarf an Sozialarbeiterinnen. Stattdessen bot ihr die Hebräische Universität in Jerusalem 1950 eine Position in der englischen Abteilung an. Sie unterrichtete dort bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1990.
1950 heiratete Alice Moshe Shelkowitz, einen Einwanderer aus den USA. Später änderte das Paar seinen Namen auf Shalvi. Ihre sechs Kinder kamen zwischen 1952 und 1967 zur Welt. Alice Shalvi konnte trotzdem ihre bemerkenswerte Karriere machen, weil ihr Mann Moshe nicht nur ein unterstützender Partner, sondern auch ein wahrer Feminist war. Als Herausgeber von Nachschlagewerken, u.a. der Encyclopedia Judaica, initiierte und begleitete er die Herausgabe des bahnbrechenden Werks „Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia“. Herausgeberinnen waren Paula Hyman und Daliah Ofer unter Mitarbeit von Alice und Moshe Shalvi. Die Enzyklopädie erschien 2006.

 

Feministisches Erwachen und die Einführung der „Women’s Studies“
Alice Shalvis akademische Karriere war erfolgreich: Sie unterrichtete in der englischen Abteilung der Hebräischen Universität und führte 1969 die englische Abteilung an der neu gegründeten Universität des Negev in Beer Sheva (seit 1973 Ben Gurion University of the Negev) ein. Doch als sie sich 1973 um die Position des Dekan der Universität Beer Sheva bewerben wollte, machte man ihr klar, dass dies für eine Frau unmöglich sei. Als Shalvi diese Abweisung mit Kolleginnen an der Hebräischen Universität besprach, stellte sich heraus, dass alle zwar respektable Karrieren gemacht, jedoch ausnahmslos Schlechterstellungen bei Beförderungen und Diskriminierungen erlebt hatten. Am schockierendsten war, dass sexuelle Belästigung weit verbreitet war. Als die Frauen dem Rektor das von ihnen gesammelte Material zur Schlechterstellung von Universitätsmitarbeiterinnen vorlegten, zeigte dieser Verständnis und versprach Verbesserungen. Das Thema der sexuellen Belästigung hatten die Frauen nicht angesprochen, weil ihnen dies zu peinlich war. 1998 wurde in Israel das „Gesetz zur Verhinderung sexueller Belästigung erlassen“. 2011 wurde der vormalige Präsident des Staates Israel, Moshe Katsav, zu sieben Jahren Haft wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung verurteilt.

 

Ein weiteres nachhaltiges Ergebnis des neuen Bewusstseins der Akademikerinnen war die Entwicklung der „Women’s Studies“. Die jüngeren Universitäten in Tel Aviv und in Beer Sheva richteten Abteilungen für „Women’s Studies“ ein, die konservative Hebräisch Universität ließ sich damit Zeit. Daher unterrichteten die feministischen Akademikerinnen „Women’s Studies“ im Rahmen ihrer Fachgebiete. Alice Shalvi untersuchte zunächst das Bild der Frauen bei Chaucer und Shakespeare, später in der englischen Literatur im Allgemeinen.

 

Hinweis auf Ungleichheit
Vielen Israelis öffnete der Jom Kippur Krieg von 1973 die Augen für die Ungleichheit und Diskriminierung von Frauen. Als die Männer zum Militärdienst eingezogen waren, kamen die Industriebetriebe zum Stillstand, weil sie keine Techniker hatten, der öffentliche Verkehr brach zusammen, weil die Chauffeure fehlten, in der Wirtschaft konnten keine Entscheidungen getroffen werden, weil die zuständigen Manager abwesend waren und es keine Vertreterinnen gab. Zum ersten Mal in der Geschichte des Staates Israel wurde den Menschen vor Augen geführt, in welchem Ausmaß Frauen in niedrigere, schlechter bezahlte Positionen meist im Dienstleistungssektor gedrängt und von wichtigen Entscheidungen in Wirtschaft und Politik ausgeschlossen waren.
1975 lud Ministerpräsident Yitzchak Rabin Ora Namir ein, eine Untersuchungskommission zum Status der Frauen in Israel einzurichten und zu leiten. Alice Shalvi wurde nicht dem Komitee für Familie zugeteilt – schließlich hatte sie ja sechs Kinder. In den zwei Jahren ihrer Existenz sammelte die Kommission bisher unbekanntes Material über Frauen in Israel und wertete dieses aus. Die Ergebnisse wurden in einem zweibändigen Bericht zusammengefasst, der 140 Empfehlungen an die Regierung enthielt. Doch diese setzte kaum etwas davon um (zum Teil weil der Ministerpräsident, dem der Bericht übergeben wurde, nicht mehr Yitzchak Rabin sondern Menahem Begin war).

 

Eine bessere Ausbildung für religiöse Mädchen
Während sie noch in der Namir Kommission mitarbeitete übernahm Alice Shalvi eine weitere Aufgabe. Diese hatte auch mit der Ermächtigung von Frauen zu tun, jedoch nicht auf dem politischen sondern auf dem Gebiet der Erziehung. 1975 übernahm sie ehrenamtlich die Leitung von Pelech (Spindel), einer fortschrittlichen Schule für ultra-orthodoxe Mädchen. Obwohl die jüdische Tradition Frauen das Studium des Talmud verbietet, war dieses Pflichtfach in Pelech. Außerdem lernten die Mädchen Fächer wie Weltliteratur, die in ultra-orthodoxen Kreisen verpönt sind. Daher boykottierten ultra-orthodoxe Eltern Pelech, doch modern orthodoxe – darunter Alice und Moshe Shalvi – ließen ihre Töchter sehr gerne dort lernen. Obwohl sich die Schule unter Alice Shalvis Leitung sehr gut entwickelte, war sie dem religiösen Lehrkörper viel zu liberal. Sie stellte eine junge Religionslehrerin, die am nicht-orthodoxen (konservativen) Jewish Theological Seminary in New York ausgebildet worden war. Außerdem organisierte sie Treffen zwischen ihren Schülerinnen und Mädchen aus arabischen Schulen. Ihre größte Sünde aber war ihre Mitarbeit im Israel Women’s Network, das das Oberrabinat offen wegen der Diskriminierung von Frauen in Scheidungsverfahren kritisierte. Die Abteilung für religiöse Erziehung im Unterrichtsministerium verlangte, dass Shalvi ihre politische Arbeit beim IWN sofort einstelle, andernfalls würde die Schule ihre Zulassung verlieren. 1991 zog sich Shalvi von Pelech zurück.

 

Das Israel Women’s Network
Das Israel Women’s Network (IWN) wurde nach den Wahlen von 1984 gegründet. Untersuchungen der Wählerschaft hatten ergeben, dass nicht nur mehr Frauen gewählt hatten, sondern diese auch besser ausgebildet waren (mehr Schuljahre) als die Männer. Dennoch wurde die Zahl der weiblichen Abgeordneten in der Knesseth reduziert. Eine Gruppe von Akademikerinnen schloss sich zusammen, um den wenigen Politikerinnen dabei zu helfen, Gesetze zur Verbesserung der Rechte der Frauen im Parlament einzubringen und beschließen zu lassen. Zu diesem Zweck gründeten sie das Israel Women’s Network (IWN). Nach einem Jahrzehnt von Forschungen im Rahmen der Women’s Studies konnten die Akademikerinnen des IWN Politikerinnen mit Daten für Gesetzesvorlagen unterstützen, sie erschienen als Expertinnen bei Komitees, sie erweckten das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit für bestimmte Themen, sie unterstützten Initiativen der Politikerinnen. Aus diesen bescheidenen Anfängen entwickelte sich ein angesehener Think Tank der sich mit allen Aspekten weiblicher Diskriminierung befasst, vom Status der Frauen bei rabbinischen Gerichten, in der Armee, bei der Sozialversicherung und bei Hilfe für Opfer von Menschenhandel udgl.

 

Friedensaktivistin
Während des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 hatte Israel die Westbank und Ost-Jerusalem eingenommen. Obwohl Alice Shalvi in Jerusalem lebt, dauerte es bis 1986, dass sie eine arabische Frau traf, die keine niedrigen Dienstleistungen für Juden erbrachte, sondern bezüglich Ausbildung und Beruf ihr selbst entsprach. Vater Emanuel von der Dormitio Abtei stellte ihr eine Dozentin für Biologie an der Universität Bir Zeit in Ramallah vor. Sie unterhielten sich über sich selbst, nicht über Politik, und beschlossen ein weiteres Treffen, zu dem sie Freundinnen mitbringen wollten. Die Frauen, die kamen, hatten alle schon an Dialoggruppen teilgenommen, die den Frieden und die Koexistenz fördern wollten. Doch die ursprüngliche Gesprächspartnerin Shalvis lehnten die Palästinenserinnen als nicht repräsentativ ab, weil sie Christin war. Als Ende 1987 die erste Intifada ausbrach, fanden die Gespräche ein Ende. Doch die Frauen setzten sich auch weiterhin für Frieden ein. Sie organisierten wöchentliche Demonstrationen gegen die Okkupation, auf dem Paris Platz und nahe dem Zions Tor in Jerusalem. Dabei trugen sie schwarze T-Shirts und nannten sich „Frauen in Schwarz“. Alice Shalvi demonstrierte nicht nur in Israel, sondern auch im Ausland mit den Frauen in Schwarz. Außerdem schlossen sich den Israelis immer wieder ausländische Besucherinnen an. Unter diesen war Simone Susskind aus Brüssel. 1989 organisierte sie in Brüssel eine Dialog zwischen jüdischen palästinensischen Frauen aus Israel, an dem auch Alice Shalvi teilnahm. Unter den Teilnehmerinnen waren auch Shulamit Aloni von der Bürgerrechts-Liste, sowie Nava Arad von der Arbeiterpartei. Nach anfänglichen Spannungen und gegenseitigen Anschuldigungen wurden die Gespräche konstruktiv. Hanan Ashrawi, die Vertreterin der PLO, und die Politilogin Naomi Chazan, die auch Vorstandsmitglied des IWN war, entwarfen ein gemeinsames Papier, das eine Zwei-Staaten-Lösung und Einstellung der Feindseligkeiten forderte – und dies vier Jahre vor den Oslo Verträgen. Doch konnte das Papier nicht der Presse übergeben werden, weil Nava Arad nicht rechtzeitig die Zustimmung ihrer Partei aus Jerusalem erhielt.
2000 zog sich Alice Shalvi von IWN zurück. Heute ist sie, ebenso wie Naomi Chazan, Vorstandsmitglied des New Israel Fund, der eine fortschrittliche Zivilgesellschaft in Israel fördert.

 

Photo: Alice Shalvi (2. von rechts) bei der Vorstandssitzung des New Israel Fund in Tel Aviv, Februar 2020. © NIF

 

Bet Debora
2000 besuchte Alice Shalvi erstmals seit ihrer Flucht im Jahr 1934 Deutschland. Sie kam mit erheblichen Vorbehalten und Ängsten. Doch Deutschland überraschte sie und sie konnte damit Frieden schließen. Bei ihrem Besuch traf sie auch die Gründerinnen von Bet Debora Lara Dämmig, Monika Herweg und Elisa Klapheck und war beeindruckt von ihrer Vision einer Erneuerung des europäischen Judentums nach dem Fall der kommunistischen Regime und der Rolle, die jüdische Frauen dabei spielen konnten. Shalvi erklärte sich bereit, an der zweiten Bet Debora Tagung im Jahr 2001 teilzunehmen. Dort lernte sie den Reichtum des europäischen Judentums kennen. Bisher hatte sie nur das britische, das israelische und das amerikanische Judentum kennengelernt, aber keine jüdischen Gemeinden, die nach der Shoah wieder entstanden waren. Sie war sich nicht bewusst gewesen, wie lebendig dieses Judentum war, wie viel Kreativität und Energie europäische jüdische Frauen erfüllten. Sie nahm auch an späteren Tagungen teil. Mit ihrem reichen jüdischen Wissen und ihrer Begeisterung war sie eine der Mentorinnen von Bet Debora.

Eleonore Lappin-Eppel

 

Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia https://jwa.org/encyclopedia/about
Israel Women’s Network https://iwn.org.il/english/about-the-israel-womens-network/
Frauen in Schwarz http://womeninblack.org
New Israel Fund https://www.nif.org

Jewish Women: Being Present, Bringing Change

Wir laden herzlich zu einer Gesprächsrunde am Dienstag, dem 17. Dezember 2019 um 19 Uhr ein.

 

 

 

Ort: Myer’s Hotel, Metzer Straße 26, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg

mit: Rabbinerin Barbara Borts (Newcastle upon Tyne), Eleonore Lappin-Eppel (Wien), Ana Lebl (Split),  Dragana Stojanović (Belgrad)

Moderation: Tanja Berg und Lara Dämmig (Berlin)

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Wir heißen alle interessierten Frauen und Männer herzlich willkommen!

– Der Eintritt ist frei –

Anschließend besteht die Möglichkeit, miteinander bei einem Glas Wein oder Wasser ins Gespräch zu kommen.

Wir bitten um Anmeldung bis 16. Dezember 2019 unter bet.debora@gmail.com

Im September 2019 fand die 9. Bet Debora Tagung in Belgrad (Serbien) statt, die dem Thema Jewish Women: Being Present, Bringing Change gewidmet war. Bet Debora und Haver Srbija haben sie gemeinsam organisiert. Haver Srbija ist eine gemeinnützige jüdische Organisation, die mit ihren Bildungsprogrammen eine pluralistische und inklusive Gesellschaft fördert und sich gegen Vorurteile, Diskriminierung, Antisemitismus und Xenophobie engagiert.

In unserer Gesprächsrunde, zu der wir Referentinnen und Organisatorinnen der Tagung eingeladen haben, möchten wir uns über interessante Themen, spannende Debatten und Begegnungen austauschen.

Dragana Stojanovic gehörte dem Team von Haver Srbija an. Sie wird die Arbeit der Organisation vorstellen und darüber sprechen, welche Anstöße die Tagung für das jüdische Leben in Serbien gegeben hat.

Rabbinerin Barbara Borts spricht über die Reaktionen auf Frauenstimmen in den Synagogen im 21. Jahrhundert

Eleonore Lappin-Eppel wird die Biografie der israelischen Feministin und Friedensaktivistin Alice Shalvi (geb. 1926 in Essen) vorstellen, die die Arbeit von Bet Debora seit vielen Jahren unterstützt.

Ana Lebl wird das Wirken der Schriftstellerin und Aktivistin Ženi Lebl würdigen.

***

Rabbi Barbara Borts has served pulpits in the UK, the USA and Canada. She is an honorary research fellow in anthropology at Durham University and a research fellow of Leo Baeck College, as well as a half-complete BaalatTefilah through EAJL. She has written many articles and papers, recently researching Jews and Christmas, rabbinic roles, and the conundrum of women’s voices in Judaism. She is the co-editor, with Rabbi Elizabeth Tikvah Sarah, of Women Rabbis in the Pulpit: A Collection of Sermons. Her PhD work was on Anglo-Reform Judaism through the lens of its music.

Eleonore Lappin-Eppel ist Historikerin am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie ist Mitbegründerin der jüdischen liberalen Gemeinde Or Chadasch in Wien, Vorsitzende des New Israel Fund in Österreich und seit 2015 Vorstandsmitglied bei Bet Debora e.V.

Ana Lebl holds a BA in Near Eastern Archaeology from the University of Belgrade (Serbia) and an MLitt from the St Andrews University (Scotland, UK) in Maritime Archaeology. She lives in Split, Croatia with a husband and two daughters. Ana has been President of the Jewish Community of Split. As a Jewish volunteer and lay leader, she dedicates most of her time to organizing cultural, religious and educational events, programs and seminars. Ana also promotes interfaith and intercultural dialogue in her city.

Dragana Stojanović works in the field of cultural studies and media theories, researching the ways that media influences the everyday cultural reality and processes, as well as our notions of history, contemporaneity and future. Her particular interest involves memory studies, gender studies, (post)feminism studies, posthuman studies, traditional culture studies and the like. Currently she is working as an Assistant Professor for cultural studies and theory of art and media at the Department of Media and Communications in Belgrade. She is also active within the Jewish community of Serbia, working with the organization Haver Serbia as an educational project consultant and program facilitator.

Tanja Berg ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet seit vielen Jahren an der Schnittstelle zwischen politischer Bildung und Forschung. Ihre Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Demokratieentwicklung, Gender und Vielfalt. Sie gehört dem Vorstand von Bet Debora an.

Lara Dämmig studierte Bibliothekswissenschaft und Management von Kultur- und Non-Profit-Organisationen und arbeitet bei einer jüdischen Organisation in Berlin. Sie ist Mitbegründerin von Bet Debora.

 

 

 

 

Verkehrsverbindung: vom S-Bahnhof Alexanderplatz oder Prenzlauer Allee mit der Tram M2 bis Prenzlauer Allee Ecke Metzer Straße oder mit der U2 bis Senefelderplatz

 

 

Die Veranstaltung wird von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung – Geschäftsstelle Gleichstellung gefördert.

 

Bücherspenden gesucht!

 

Haver Srbija möchte eine Bibliothek aufbauen. Gesucht werden Bücher in Englisch zu jüdischer Geschichte, Kultur oder Tradition. Wer gern ein Buch spenden möchte, kann uns gern per E-Mail kontaktieren bet.debora@gmail.com oder einfach das Buch zur Veranstaltung mitbringen.

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Kulinarischer Dialog

 

am Sonntag, dem 3. November 2019 um 14 Uhr im Hort der Lemgo-Grundschule, Müllenhoffstraße 7, 10967 Berlin

 

mit Ewa Alfred und

Najda Sinanyan-Erbas

 

 

Auch 2019 wollen wir unsere beliebte Reihe fortsetzen und zum 11. Mal zu einem Dialog der armenischen und jüdischen Kochkunst einladen. Ewa Alfred wird Speisen der osteuropäisch-aschkenasische Küche aus ihrer eigene Familientradition kreieren.

Unsere diesjährige Gast Najda Sinanyan-Erbas (Istanbul) kommt aus einer Familie bekannter Kochkünstlerinnen der armenischen Gemeinde. Sie wird mit uns vegane Gerichte zubereiten, die traditionell zwischen Aschermittwoch und Karfreitag gegessen werden.

 

Ewa Alfred (Berlin) ist Juristin und Therapeutin

Najda Sinanyan-Erbas (Istanbul) ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Konditorin. Sie spricht Französisch, Englisch, Armenisch und Türkisch. 

 

Unser kulturelles Rahmenprogramm wird dieses Mal von Kathleen Michael gestaltet.

Die Amerikanerin mit armenischen Wurzeln ist Performance-Künstlerin, Tänzerin und Fotografin. Sie wird über Identität und Tanz und über ihre Familiengeschichte zwischen Damaskus und Brooklyn sprechen.

 

Zur Deckung der Kosten bitten wir um 17 € (Ermäßigung 12 €) pro Person.

 

Wir bitten um Anmeldung bis 30. Oktober 2019 unter bet.debora@gmail.com oder talin.bahcivanoglu@berlin.de

 

Verkehrsverbindung: U7 Südstern, U8 Schönleinstraße

 

Wir danken Talin Bahcivanoglu und dem Hort der Lemgo-Grundschule für die Unterstützung!

 

Die Veranstaltung wird von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung – Geschäftsstelle Gleichstellung gefördert.

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