Jüdische Frauenstimmen zum “Tag der Befreiung”

Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges, der Tag der Befreiung, zum 80. Mal. Aus diesem Anlass hat Bet Debora jüdische Frauen verschiedener Generationen zu ihren Perspektiven auf diesen Gedenktag befragt. Die Gespräche zeigen, wie vielschichtig das Erinnern an den 8. Mai für Jüdinnen heute ist – insbesondere vor dem Hintergrund von Krieg, Flucht und wachsendem Antisemitismus.

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Unsere erste Gesprächspartnerin, Dr. Alina Gromova, geb. 1980 in Dnipropetrowsk, ist stellvertretende Direktorin und Leiterin der Bereiche Ausstellungen, Sammlung und Digitalisierung der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Sie wuchs in der Ukraine auf und lebt seit 1997 in Deutschland. Ihre Dissertation Generation »koscher light«. Urbane Räume und Praxen junger russischsprachiger Juden in Berlin erschien 2013.

Alina Gromova erzählt von ihren Erinnerungen an den „Tag des Sieges“ und wie sich das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion, der unabhängigen Ukraine und später in Deutschland gewandelt hat. Sie beschreibt, wie sich die jüdischen Erinnerungskulturen durch die Zuwanderung verändert haben und wie die vielfältigen Perspektiven jüdischer Menschen auf diesen Tag in Museen sichtbar gemacht werden können.

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Marguerite Esther Marcus (geb. 1959 in Berlin) wuchs in einer Westberliner jüdischen Familie auf. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Familientherapeutin. Sie engagiert sich in einer Vielzahl jüdischer Organisationen. Seit 2024 ist sie Vorsitzende der unabhängigen Synagogengemeinde Bet Haskala.
Ausführlicher Lebenslauf

Marguerite Marcus schildert die ambivalenten Gefühle, die ihre Eltern als Überlebende der Schoa mit dem „Tag der Befreiung“ verbunden haben. Ein Thema, das sie als Therapeutin besonders beschäftigt, sind die Spätfolgen der Schoa für Überlebende und ihre Kinder. Als Feministin war sie u. a. im Schabbeskreis und der Stiftung Zurückgeben aktiv. Heute setzt sie sich in der Gemeinde Bet Haskala für ein offenes, inklusives Judentum ein.

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Anja Schindler ist Germanistin, Historikerin und Autorin.
Sie ist Sprecherin des Berliner Arbeitskreises SowjetExil, der sich in vielfältiger Form dem Erforschen und Gedenken der deutschen antifaschistischen Emigrantenfamilien in der Sowjetunion von 1937 bis 1956 widmet. 2016 erschien ihr Buch zum Schicksal der Familie ihrer Mutter: Verhaftet und erschossen. Eine Familie zwischen Stalins Terror und Hitlers Krieg und 2018 über die Familie ihres Vaters: Die drei Leben des Meir Schwartz.

Anja Schindler erzählt in der dritten Folge unseres Podcast von ihrer Familiengeschichte. Sie wurde 1949 in Karaganda (Kasachstan), dem Verbannungsort ihrer Eltern, geboren. Die Mutter stammte aus Berlin und lebte mit ihren Eltern und ihren Brüdern seit 1931 in der Sowjetunion. 1937 wurden sie alle Opfer des Großen Terrors. Der Vater, ein Jude aus Rumänien, verbrachte sieben Jahre im Gulag. 1956 durfte die Familie die Sowjetunion verlassen und nach Ostberlin ausreisen.

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Debora Antmann denkt darüber nach, welche Bedeutung des 8. Mai nicht nur als historische Zäsur hat, sondern auch als fortdauernde Aufforderung, sich mit Kontinuitäten wie Antisemitismus auseinanderzusetzen, auch mit der Rolle von Frauen in der NS-Zeit. Für die Zukunft wünscht sie sich ein selbstbewusstes, vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland – und eine Gesellschaft, die bereit ist, sich kritisch mit der NS-Zeit und dem heutigen Umgang mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

Debora Antmann ist Autorin, politische Bildnerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Jüdischen Museum Berlin und Kolumnistin beim Tagesspiegel, Aktivistin, wütende Jüdin, semi-aktive Körperkünstlerin und verhinderte Superheldin. Seit über 10 Jahren arbeitet sie zu jüdisch-lesbischer Widerstands- und Intersektionalitätsgeschichte, jüdischen Selbstbestimmungs- und Communityprozessen, Intersektionalität, Heteronormativität und Behinderung. In unzähligen Publikationen und Medien findet man Beiträge von A wie Antisemitismus bis Z wie Zusammenhalt von ihr – alles immer aus dezidiert jüdischer und lesbischer Perspektive. In verschiedenen Formaten inszeniert sie jüdisch-queere und jüdisch-behinderte Interventionen zur visuellen Selbstbestimmung und leitet seit 2020 den jüdischen flinta Austausch- und Empowerment-Raum „Tsuris&Tseschmetter“.

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Produktion und Schnitt: Vincent Bababoutilabo und Philip Theurer

Wir danken Monom — Stiftung für Veränderung für die Unterstützung!