Die dramatische Lebensgeschichte Haviva Reicks regt zum Nachdenken an. Sie wurde 1914 im heutigen Rožňava (Rosenau) geboren und wuchs mit ihrer Familie in Radvaň auf, verbrachte aber viel Zeit im nahegelegenen Banská Bystrica (Slowakei). Haviva war Mitglied der Jugendbewegung Haschomer Hatzair (Jüdische Pfadfinder). Zur Jahreswende 1938/39 emigrierte sie nach Palästina, um am Aufbau eines neuen Staates, des heutigen Israels, mitzuwirken. Als die Briten 1944 Freiwillige für Aktivitäten hinter den feindlichen Linien suchten, viel ihre Wahl auch auf Haviva Reik. Nach dem Ausbruch des slowakischen Nationalaufstandes (August 1944) wurde sie auf eigenen Wunsch mit einem amerikanischen Flieger in die Slowakei eingeschleust, um vor Ort Unterstützung zu geben. Nach der Niederschlagung des Aufstands wurde Haviva im Alter von dreißig Jahren in der Nähe eines Panzerabwehrgrabens in Kremnička erschossen.
Haviva war weder Märtyrerin noch Masochistin; sie war mutig und selbstlos. Die sie kannten, beschrieben sie als heiteren Menschen: sie liebte es, laut zu lachen, zu tanzen und fühlte sich von Männern angezogen, wie sie sich auch von ihr. Sie engagierte sich für andere: für ihre von Armut betroffene Familie, für die jüdische Jugendbewegung Haschomer Hatzair, für die jüdische Gemeinde in Bratislava. Nach ihrer Ankunft in Palästina (heute Israel) arbeitete sie im Kibbutz, für die illegale Hagana und den Palmach. Sie kehrte mit einer Doppelmission in die Slowakei zurück: sie war sowohl für den britischen Geheimdienst als auch für die jüdische Gemeinde in Banská Bystrica tätig. Im Rahmen ihrer Arbeit für den britischen Geheimdienst half sie, Piloten der Alliierten aus dem gefährlichen Zentrum des slowakischen Nationalaufstandes zu retten und sie in die befreiten Gebiete zu bringen. Als die Faschisten in Banská Bystrica einmarschierten, half Haviva den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, vor allem den Alten und Schwachen unter ihnen, sich im Wald zu verstecken. Sie wurden jedoch von den Faschisten überfallen, wahrscheinlich aufgrund eines Verrats. Haviva Reik wurde ergriffen, eingekerkert und am 20. November 1944 in Kremnička umgebracht.
In einem ihrer Briefe, geschrieben während ihres Trainings in Kairo, klagte sie: “Ich hatte nie genug Zeit für mich selbst, aber wir leben nun mal in einer Zeit wie dieser und wir können uns wegen solcher Dinge nicht beschweren.” Ihr Verantwortungsgefühl anderen gegenüber war sehr ausgeprägt. Sie träumte von einer Familie mit Kindern und einem eigenen Leben nach dem Krieg. “Wenn ein Mensch in einer bestimmten Art von Gesellschaft lebt, muss er sich für sie engagieren und Verantwortung übernehmen”, schrieb sie ihrem Mann nach ihrer Ankunft in Palästina, enttäuscht vom Leben im Kibbutz, wo viele Mitglieder ihren Enthusiasmus für Zionismus und Sozialismus nicht teilten.
Haviva Reick war eine Schachfigur im großen Spiel der Weltmächte. Sie hatte keine Möglichkeit, den Kontext ihres Wirkens tatsächlich zu erfassen. Als sie sich auf ihre Rückkehr in die Slowakei vorbereitete, schrieb sie in einem Brief an ihren Freund Baruch Gross: “Gestern haben sich große Dinge ereignet. Paris wurde befreit, Wandel in Rumänien.” Der Frieden schien zum Anfassen nahe und dennoch warnten die Alliierten vor verfrühter Begeisterung in den Ländern Europas. Die Landung der Alliierten in der Normandie im Sommer 1944 löste eine Reihe von Aufständen gegen die Nazis aus, wie den slowakischen Nationalaufstand, der aber ohne die Hilfe der heranrückenden Roten Armee zum Scheitern verurteilt war. Die Situation war kompliziert und die deutsche Armee gut vorbereitet, manchmal leider auch aufgrund der Unterstützung von ansässigen Informanten. Und genau aus diesen Gründen müssen wir die Heldenhaftigkeit von aufständischen Soldaten, Partisanen und ihrer Unterstützer/innen aus dem Ausland umso mehr würdigen. Viele von ihnen starben bei der brutalen Niederschlagung des Aufstands.
Anna Grusková
Anna Gruskovas Film „Return to the Burning House“ (Slowakei, 2014) würdigt Reick als eine jüdische Widerstandskämpferin und Heldin des slowakischen Nationalaufstandes, deren Leben und Wirken in den letzten Jahrzehnten in Europa kaum wahrgenommen wurde, obwohl ihr Vermächtnis es wert ist, weitergegeben zu werden. www.haviva.sk/en
Der Film wurde auf der 7. Bet Debora Tagung, die im April 2015 stattfand, gezeigt.
Der Film „Return to the Burning House“ wurde von der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ unterstützt.